Der neue paten 1/2017
Liebe Leserinnen
und Leser,
zu Beginn des Jahres überrascht uns das Bundesverfassungsgericht und stoppt die riskante und nicht hinreichend geprüfte Rückführung eines misshandelten Kindes. Es soll auf Beschluss eines Oberlandesgerichtes von seinen sozialen Eltern wieder weggenommen werden und würde in eine gefährliche Situation für Leib und Leben gegeben. Weitere in jungem Alter schädliche Ortswechsel würden ihm zugemutet. Das Risiko weiterer körperlicher Misshandlungen würde Elternrechten untergeordnet. Das Einschreiten des Bundesverfassungsgerichtes ist letztendlich ein Hinweis darauf, dass gesetzliche Bestimmungen konkretisiert und genauer gefasst werden müssen. Wegen der besonderen Bedeutung haben wir das Urteil im Volltext: es zeichnet eine nicht untypische Lebensgeschichte vieler Pflegekinder und einen verhängnisvollen Verlauf, wenn nicht eingegriffen würde. Das Thema eines mangelhaften Kinderschutzes ist seit vielen Jahren öffentlich präsent.
Der Entwurf des „Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen“ – es soll zum 1.1.2018 in Kraft treten, wenn nicht politische Profilierung dies noch verhindert – bringt für Pflegekinder Änderungen in schon lange geforderter Weise nach Sicherheit in den sozialen Bezügen und eine Stärkung ihrer Rechte. Bindungstheoretisches und entwicklungspsychologisches Wissen wird in dem Entwurf umgesetzt, wie es viele anerkannte Experten fordern. Inhaltlich gibt es keine ernstzunehmenden Experten, die sich dagegen äußern. Bleibt abzuwarten, ob die Politik dem folgen wird oder ob ideologisch motivierte Stimmen noch Gehör erhalten und die Gesetzesvorlage, die dem international anerkannten Prinzip einer Zeit- und Zielperspektive Rechnung trägt, versuchen werden noch abzuwenden? Wir dürfen auf das historische Ereignis einer Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch zu Gunsten von Pflegekindern in greifbarer Nähe weiter hoffen.
„Reformen im Familienrecht, welche Rechte von Pflegeeltern etablierten, begannen mit dem Sorgerechtsgesetz 1979. Es wurde möglich, Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson zu übertragen, jedoch nur mit Zustimmung der Eltern (§ 1630 Abs.3 BGB). Bei Konflikten über die Herausnahme eines Kindes aus der Pflegefamilie durch die Eltern besteht seit der Reform 1979 die Möglichkeit zur gerichtlichen Anordnung des Verbleibens eines Pflegekindes in der Pflegefamilie, wenn dieses seit längerer Zeit in Familienpflege lebt. In der ersten Fassung des § 1632 Abs. 4 BGB konnte eine Verbleibensanordnung nur dann ergehen, wenn und solange durch eine Herausgabe des Pflegekindes eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs.1 BGB insbesondere im Hinblick auf Anlass oder Dauer der Familienpflege gegeben war. Verfahrensrechtlich wurde der Pflegeperson ein Anhörungsrecht eingeräumt, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt.“ (BMFSFJ, Juni 2016)
Zu verdanken haben wir vieles von dem, was im Pflegekinderwesen Anerkennung fand, Ludwig Salgo, der im Kindschaftsrecht ein einflussreicher Experte ist. Zu seinem 70-igsten Geburtstag ist eine lesenswerte Festschrift von Stefan Heilmann und Katrin Lack herausgegeben worden, aus der wir Wissenswertes zum Thema „Fehlentscheidungen in der Jugendhilfe“ sowie zu „eigenständigen Rechtsansprüchen des Kindes im SGB VIII“ und zum Thema „Einzelvormundschaften“ vorstellen. Nicht zu kurz kommen in diesem paten Praxisberichte. Heinzjürgen Ertmer verdanken wir gute Vorschläge zur Einbettung der bestehenden Rechte in die Praxis und Gila Schindler zeigt auf, wie mühsam Auseinandersetzungen mit Jugendämtern sein können und die Pflegekinderarbeit wegen eigener fachlicher Defizite über viele Jahre behindern und Menschen im Ungewissen lassen, anstatt Chancen der Ausgestaltung für die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft – Pflegekinder mit Behinderung – konstruktiv zu nutzen.
Ihre
Elke Artelt und Susanne Schumann-Kessner
PAN e.V. NRW
und Ihr
Christoph Malter
Redaktion
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