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Der neue paten 1/2014
Liebe Leserinnen
und Leser,
Diskrepanzen zwischen der Spruchpraxis der Familiengerichte und den Anforderungen an das Kindeswohl sind bei misshandelten Kindern besonders frappant. Der Deutsche Familiengerichtstag empfiehlt aktuell: „Pflegeeltern sollten umfassend über ihre Stellung und Aufgabe, eine mögliche Rückführung sowie einen möglichen Umgang zwischen Kind und Eltern informiert und durch das Jugendamt weiterhin begleitet werden. … Das Ziel der Rückführung des Kindes zu den Kindeseltern muss in der Regel als führende Hypothese von allen Beteiligten im Blick gehalten werden, so dass die Inobhutnahme nicht automatisch zu einem Umgangsausschluss führt.“
Jugendämter machen in ihrer Praxis oft gegenläufige Erfahrungen. Ein Mitarbeiter der Stadt Kiel kann aus der aktuellen Presse folgendermaßen zitiert werden: „‘Wir suchen keine Kinder für die Familien, sondern Familien für die Kinder‘, erklärt Schepp. Auch wenn die Kinder dann in neue Familien kommen, ist das Ziel der Jugendhilfe die Rückführung in die Herkunftsfamilie, wie es im Amtsdeutsch heißt, wenn das Kindeswohl dabei nicht gefährdet ist. Der Kontakt zu den leiblichen Eltern ist fast in allen Fällen regelmäßig gegeben. Eine Rückführung, so Schepp, gelinge in den seltensten Fällen.“ Der Pflegekinderpraxis wird der Ausnahmefall „Rückführung“ und erfolglose Arbeit verordnet? In der Münsterländer Zeitung wird das ganze noch getoppt. Im März titelt sie über ein Projekt von vier Kommunen: „Es ist immer besser, wenn Kinder in der eigenen Familie aufwachsen können. Deshalb beschäftigt sich das Jugendamt … mit Konzepten für einen strukturierten Rückführungsprozess von Kindern aus Pflegefamilien…“
Dass die Herkunftsfamilie nicht immer die bessere Alternative ist, zeigen viele misslungene und in wiederholende Misshandlung mündende Rückführungen. Die Ideologie der intakten Herkunftsfamilie, der man nur ausreichend helfen müsse, ist oft falsch und in der Absolutheit sowieso nicht haltbar. Dennoch scheint zur Verteidigung kein Preis zu hoch, nicht einmal der Tod eines Kindes wie Yagmur, über dessen Schicksal wir hier berichten. Die vorangegangenen Warnungen des Rechtsmediziners und erfahrenen Experten Prof. Püschel aus Hamburg wurden nicht ernst genommen. Yagmur wurde zu den Eltern zurückgeführt und dort zu Tode misshandelt. Kritik an Jugendämtern und Familiengerichten wird nicht selten dann als „populistisch“ zurückgewiesen. So kritisieren Prof. Tsokos und seine Kollegin Dr. Guddat Mängel im Kinderschutz und müssen sich ihrerseits genau dafür kritisieren lassen! Das will man kaum glauben.
Wen wundert es da, dass auch Pflegeeltern unermüdlich gegen systemimmanente Fehler immer wieder zu Felde ziehen und dass nur noch schwerlich genügend Pflegefamilien zu finden sind. Kiel hat drei Pflegefamilien für eine Werbekampagne in die Öffentlichkeit gestellt. Sie sollen mit Plakaten und eigenen Erfahrungen aktiv andere Eltern anwerben. Der Bedarf ist groß, das bestätigte Jochen Schepp vom Pflegekinderdienst der Stadt: „250 Pflegeltern gibt es bereits. Um den Bedarf zu decken, bräuchten wir jährlich rund 70 bis 80 mehr.“
Gefordert sind aber nicht nur mehr Pflegeeltern, sondern vor allem Richter und Politiker, die durch Rechtsprechung und Gesetzesvorgaben tragfähige Rahmenbedingungen für Pflegefamilien und -kinder besser sichern. Lesen Sie nicht nur in diesem paten über verunglückte Rückführungen, die in unserer Beratung keine Einzelfälle sind. In den vorangegangenen paten 1/2009; 2/2009; 1/2010; 4/2010 und 3/2011 finden Sie ebenfalls Beiträge zum Schwerpunktthema oder im Heft 1/2012 Vorschläge von anerkannten Experten für Reformen in der Kinder- und Jugendhilfe.
Viel Freude beim lesen wünschen Ihnen
Ihre
Susanne Schumann-Kessner
und Ihr
Christoph Malter
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